Zwei Stunden Rock à la Billy



Die Lage? Aussichtslos. Zukunft? Keine. Also kann man auch gleich Spaß haben. Was im No-Future-England der frühen Achtziger hip war, ist dem arbeitsarmen Deutschland anno 2005 ähnlich genug, dass der Punk fröhliche Urständ feiern kann. Und so hießen die 5000 gestern Abend in Leipzigs Arena Billy Idol herzlich willkommen. Der Tag war denkwürdig, denn jener William Michael Albert Broad, der seinen Künstlernamen vom "idle" (faul) auf seinem Zeugnis ableitete, feierte gestern seinen 50. Geburtstag.

Die Schnute mit dem Hang zur Elvis-Pose und der Faust im Wind fackelt nicht lange. "Super overdrive" von aktuellen Album "Devil's Playground" startet den Songreigen, der Altfans aus der Generation X wie Jungvolk gleichermaßen zufrieden stellt. Locker verknotet Billy Idol die ausgefransten Enden der Musik seiner Helden New York Dolls, Clash und Ramones mit den Ausläufern eines Rock der härteren Bauart und überzieht die gebauten Brücken mit einem metallischen Überzug, ohne Hausfrauen zu verstören. Ist es nun die lange Bühnenabstinenz, nach-dem ihn Drogen aus der Bahn und das Motorrad aus der Kurve geworfen hatten? Oder sind es die Killer-Songs des Comeback-Knallers? Was auch immer: Die ausgelassene Menge vorm Bühnenblendwerk geht gut mit und gratuliert ihrem lippenkräuselnden Guru mit "Happy Birthday"-Chor, Plakaten und Blumen.

Der Held lässt sich nicht lange feiern, dankt artig und heizt ein. Billy gibt den Iggy - Pop, das T-Shirt fällt. Schnell ein paar Blicke auf den astreinen Astralkörper - und schon geht's mit den Klassikern los. Idol ist "Dancing with myself", feiert "White wedding", gibt "To be a lover" als Rock à la Billy. "Sweet sixteen" gemahnt an den Staatsanwalt und die Vergänglichkeit jeder Jugend. Dazwischen nietet der Brite immer wieder neue Nummern wie das wuchtige "Scream" und das leichtfüßige "Cherie", greift zur Akustikgitarre, lässt Pappuntertassen fliegen und macht aus "LA woman" schnell mal "Leipzig woman".

Billy the kid ist in der Form seines Lebens. Nicht viel mehr als der kleine Punker - ja, der aus dem Kinderprogramm - war er aber, als einst sein Alter Ego Steve Stevens im Streit ging. Reif für die Tonne waren dann auch die Solosongs. Erst jetzt - mit der Kraft der zwei Herzen - läuft der Motor wieder rund. Motiviert bis ins blonde Haupthaar träumt Idol schon vom "Devil's Playground"-Nachfolger mit "nur zehn wirklich großartigen Liedern", wie er dieser Zeitung kürzlich verriet. Unverzichtbar dafür: Der Wuschelkopf an der Gitarre. Und so ist es kein Wunder, dass Steve Stevens ein sattes Solo hinlegen darf, bevor es mit "Rat race", "Ready steady go" und "Rebell yell" in die letzte Runde geht. It's gonna be hell in the devil's playground!

Das Publikum tobt - der Mann gibt mehr, bigger balls eben. Noch zweimal kehren Billy Idol und seine vier Begleiter zurück, ehe mit "Mony mony" Schluss mit lustig ist. Danach steigt aber keine glamouröse Geburtstagsparty im Leipziger Nobelhotel - die Meute entert den Nightliner und ist bald on the road auf dem Weg zum nächsten Gig in Stuttgart. Punk sei Dank.

Ingolf Rosendahl



© LVZ-Online vom: Mittwoch, 30. November 2005